Gesamtzahl der Seitenaufrufe

Dienstag, 19. März 2024

Die Leibeigenen-Schublade

In diesem Prunktraum empfing der Abt Gäste.
Fiktive Person: Waltherus Möhrler.
Das Kloster Fischingen, 1138 gegründet, wurde 1848 wie alle Klöster im Kanton Thurgau aufgehoben. 1977 lebte es wieder auf, nachdem der Klosterverbotsartikel aus der Kantonsverfassung getilgt worden war; Mönche aus Engelberg kamen und bildeten eine neue Mönchsgemeinschaft. Die freilich ist mittlerweile bös geschrumpft, derzeit leben in Fischingen noch vier Benediktinerbrüder, Nachwuchs ist nicht in Sicht, das letzte aktive Thurgauer Kloster dürfte irgendwann eingehen. Dieses Ende ist aber kein totales Ende, denn der 1982 gestartete Seminar- und Tagungsbetrieb mit flankierender Hotellerie und Restaurant ist offenbar auf guten Wegen, auch Kulturanlässe holen Leute in diesen hintersten Winkel des Hinterthurgaus, und natürlich sind da die Jakobspilger und -pilgerinnen. Erfreulich, dass dem Kloster vor anderthalb Jahren 20 Millionen zugesprochen wurden, ein Teil der Erträge aus dem Börsengang der Thurgauer Kantonalbank; das Geld fliesst in Renovationen und Auffrischungen. Am Samstag gönnten wir uns eine Klosterführung, liessen uns von unserem so gebildeten wie gewitzten Führer Anastasio Signorelli die Anlage zeigen und kamen aus dem Staunen nicht heraus. Zum Beispiel angesichts des barocken Raumes, in dem der Fischinger Abt Gäste empfing. Auf den Wänden sind die Wappen der Äbte und, wenn ich es richtig verstehe, adeliger Patrone aufgemalt. Weil am Ende noch Platz blieb, der gefüllt werden musste, kamen auch fiktive Personen zu Ehren, darunter ein gewisser Waltherus Möhrler aus dem 11. Jahrhundert, das Wappen zeigt einen dunkelhäutigen Mann. Der angrenzende Raum, das war die Registratur. In ihr reihen sich die Schubladen, in denen zum Beispiel Dokumente zu den Streitigkeiten mit dem Bischof von Konstanz gelagert wurden oder alles, was die Leibeigenen des Klosters betraf. Diesen Raum verliessen wir durch eine versteckte Tür. Besichtigten im Folgenden die Klosterkirche samt der Idda-Kapelle, fünf architektonische und kunstgeschichtliche Stilrichtungen sind dort kombiniert. Und und und. Am Ende schauten wir in ein Hotelzimmer, also in eine umgenutzte, um ein modernes Badezimmer ergänzte Mönchszelle. Spätestens an diesem Ort nahm ich mir vor, gelegentlich in diesem Hotel zu übernachten. Liebes Kloster Fischingen, es wird ein Wiedersehen geben.
Unser Führer Anastasio Signorelli in der Klosterregistratur.

Eine der Archivschubladen.

Montag, 18. März 2024

Pilgersuppe und Polenta

Dorf und Kloster Fischingen vom Chilberg gesehen. Hinten rechts der Mitte
das Hörnli, das wir zwei Wochen zuvor bestiegen (oberes Foto).
Das Kloster unter dunklen Wolken aus der Nähe.

Mein Süppli.
Was für ein schöner Moment. Wir traten am Samstag zur Mittagszeit bei Chilberg aus dem Wald. Und sahen vor uns ins enge Tal der Murg das Dorf Fischingen eingebettet samt dem Kloster darüber. Vorangegangen waren zweieinhalb abwechslungsreiche Gehstunden, bei Regen waren wir in Münchwilen gestartet, erreichten gleich bei der Murgbrücke den Jakobsweg, hielten südwärts, passierten Sirnach, Wiezikon, Anwil und Oberwangen und gelangten so nach Fischingen, zwischenzeitlich zeigte sich die Sonne. Wir steigerten das Wohlgefühl der Wanderung mit einem Zmittag im Restaurant des Klosters Fischingen, einem stilvollen Barocksaal. Ich hatte zuerst die Fischinger Pilgersuppe, Hauptzutaten Griess und Rüebli, sehr fein. Gleiches gilt für den Hauptgang, eine Polenta mit Rotwein-Zwiebeln, Nüssen, Käse, Rüebli und Schwarzwurzel. Glücklichen Bauches verliessen wir um zwei Uhr das Lokal, eine einstündige Klosterführung vor uns. Über sie will ich morgen oder übermorgen berichten.
Meine stilvolle Polenta im …
… nicht minder stilvollen Barocksaal des Klosterrestaurants.

Sonntag, 17. März 2024

Katholische Schmerztherapie

Das magische Loch, gleich stecke ich den Fuss rein. Hilfreich ist der Hocker.

Ein paar Hundert Jakobspilgerinnen und -pilger steigen jedes Jahr im Kloster Fischingen ab. Ich nehme an, dass sie alle in die riesige Klosterkirche schauen. Aber fällt ihnen dort in der Seitenkapelle, die der heiligen Idda von Toggenburg gewidmet ist, das Loch unter Iddas Sarkophag auf? Das wäre gut, weil mit diesem Loch, das mit einem Türchen verschlossen werden kann, ein spezieller Brauch verbunden ist: Wer müde Füsse hat, geschundene Füsse, Blasenfüsse, der steckt sie in das Loch – das soll solche Bresten kurieren. Gestern war ich vor Ort, hielt wie die anderen in meinem Grüppli die Füsse ins Loch, könnte jetzt aber nicht sagen, dass ich eine Wirkung verspürte. Das mag damit zu tun haben, dass mir die Füsse gar nicht weh taten.

PS: Das Heilloch in der Fischinger Idda-Kapelle erinnert mich an zwei Dinge. Erstens an die Kapelle St. Meinrad in Allenwinden ZG. Neben ihr steht ein Stein mit einer Rille, in die man das Knie legen kann, was angeblich Knieschmerzen beseitigt. Kopfweh wiederum soll verschwinden, wenn man im Kirchlein St. Georg über Berschis SG den Kopf in das sogenannte Kopfwehloch hält. Und dazu summt.

Samstag, 16. März 2024

Gewalt in der Ehe

Idda stürzt, ein Engel fängt sie auf. Links: Idda, jetzt Einsiedlerin, bekommt Besuch.
Foto eines Gemäldes im Toggenburger Museum, Lichtensteig. (Plutowiki/Wikicommons)

Heute gehen wir wieder auf dem Jakobsweg. Bereits gemacht sind diese drei Etappen: Konstanz–Märstetten. Märstetten–Münchwilen. Kloster Fischingen–Hörnli–Gibswil. Ja, da klafft eine Lücke, wir liessen die kurze Etappe Münchwilen–Kloster Fischingen aus. Heute wird nachgeholt, ich rechne mit zweieinhalb Gehstunden. Am Ziel sind zur Mittagszeit zwei erfreuliche Dinge vorgesehen. Wir werden erstens im Klosterrestaurant, einem Barock-Saal, essen. Zweitens habe ich, quasi als Dessert, eine Klosterführung gebucht. Sicher werden wir auf ihr auch etwas über einen besonders krassen Fall ehelicher Gewalt erfahren. In der Klosterkirche gibt es eine Kapelle mit dem Heiligtum der heiligen Idda. Sie war – 12. Jahrhundert – die Gattin eines krankhaft eifersüchtigen Grafen, der ihr nachstellte und sie eines Tages in einem Anfall von Jähzorn über eine Felswand in den Abgrund stiess. Doch o Wunder! Idda überlebte den Mordversuch. Zu ihrem Gatten zurückkehren mochte sie nicht, die Adelsfrau lebte fortan als fromme Einsiedlerin ganz in der Nähe des Klosters. So berichtet es die Legende. Tatsächlich handelt es sich bei der Geschichte um eine Erfindung des 15. Jahrhunderts. Sie hatte den Zweck, das Kloster als Wallfahrtsort attraktiver zu machen.

Freitag, 15. März 2024

Imker im Einsatz


Klingt dramatisch. Ich fotografierte das Auto mit dem Schild "Imker im Einsatz", das ein bisschen an Schilder wie "Notarzt im Einsatz" oder ähnlich erinnert, gestern in der Nähe meines Wohnortes. Ob da wirklich ein Imker im Einsatz war? Ich sah in der Nähe nichts, was darauf hindeutete. Möglich ist es natürlich trotzdem.

Donnerstag, 14. März 2024

Rapperswiler Robinsonaden

Wer sich für die Robinson-Geschichte interessiert, für Daniel Defoes Roman "Robinson Crusoe" von 1719 also und für das, was dieser ausgelöst hat, der oder die muss nach Rapperswil. Im Ausstellungsort Kunst(Zeug)Haus ist eine Robinson-Bibliothek eingerichtet mit 4000 Büchern, Zeichnungen, Spielen, Filmen und so weiter. Um eine Schenkung handelt es sich, Peter Bosshard, passionierter Sammler, 2018 verstorben, hatte seine Robinsonaden dem Museum im ehemaligen Zeughaus vermacht. Die so entstandene Bibliothek gilt als eine der grössten Robinson-Kollektionen weltweit.

Mittwoch, 13. März 2024

Harry und der Haarsalon

Dirty Harry ist der Held des gleichnamigen Actionfilms von 1971 und von vier Folgefilmen. Clint Eastwood verkörpert den wortkargen und sehr schiessfreudigen Polizisten Harry Callahan mit dem riesigen "Magnum"-Revolver. Als ich 1981 in Bern zu studieren begann, belegte ich im zweiten Nebenfach Philosophie; vorerst, später wechselte ich auf Religionsgeschichte. Gegen Ende des Jahres gabs in einem Berner Kino ein Dirty-Harry-Spezial. Ich ging eines schönen Nachmittages hin und fand die gesammelten Ballereien herrlich entspannend. Als in der Pause das Licht anging, sass ganz in der Nähe ein junger Philosophie-Assistent, der ein Proseminar leitete, an dem ich teilnahm. Ihm war es furchtbar peinlich, dass wir uns im Dirty-Harry-Zusammenhang begegneten; als Intellektueller legte man damals Wert darauf, sich nur mit intellektuellen Dingen zu beschäftigen. Sei dem, wie dem sei, unlängst kamen wir in Lenzburg am Coiffeursalon "Dirty Hairy" vorbei. Ich fand den Namen nicht sonderlich gelungen, das Wortspiel mag ja lustig sein, aber was hat ein Coiffeur mit Harry Callahan zu tun? Frisiert er so schnell, wie der Cop schiesst?

Nachtrag: Leserin Betti lässt mich wissen, dass "Dirty Hair" auch ein Frisurentrend ist. Der Fettig-Look ist derzeit offenbar beliebt.